Surfen ist nunmehr zum zweiten Mal olympische Disziplin und mit zunehmend medialer Präsenz auch fernab des Meeres bekannt. Auch mit den diesjährigen Olympischen Spielen haben sich zwei deutsche Surfer*innen, Camilla Kemp und Tim Elter, qualifiziert und treten gegen eine starke internationale Konkurrenz an. Über die starke Leistung unserer Athlet*innen im Wasser hinaus, erfahrt ihr im Interview mit Michael Lippstreu wie Surfen selbst im schulischen Kontext seinen Platz gefunden hat.
Hallo Michael, erzähl uns doch etwas über Dich – wer bist Du, was macht Dich aus? Wie bist Du zum Surfen gekommen und was macht das Surfen für Dich besonders?
Michael: Hey hey Romina, einen wunderschönen guten Tag. Ich bin der Mitch, komme ursprünglich aus Deutschland, habe einige Jahre hauptberuflich als Surflehrer gearbeitet und am Meer gelebt. Aktuell lebe ich in Österreich und arbeite als Lehrer an einer Mittelschule. Ehrenamtlich bin ich für den DWV tätig und Teil des Ausschusses für Ausbildung. Ich bilde also für den DWV Surfehrer*innen aus und bin an der Konzeption der deutschen Surflehrer*innen-Ausbildung beteiligt.
Ich habe als Teenager angefangen zu skaten und Snowboard zu fahren. Surfen kam dann etwas später dazu und hat mein Leben in den vergangenen Jahren sehr stark geprägt. Insgesamt ist es so, dass ich auf irgend eine unerklärliche Weiße glücklich bin, wenn ich auf einem Brett stehe. Als Surflehrer hatte ich dann für mehrere Jahre das Glück mich dem voll und ganz widmen zu können und jeden Tag zu surfen. Damit verbinde ich einige der glücklichsten Momente meines Lebens und so habe ich auch meine Frau und Mutter meiner Tochter kennengelernt.
Du hast es ja gerade angesprochen: Du bist ehrenamtliches Teammitglied des Ausschusses für Ausbildung beim Deutschen Wellenreitverband. Wie bist du dazu gekommen und welche Aufgaben übernehmt ihr im Hinblick auf den deutschen Surfsport?
Michael: Ich liebe die Arbeit als Surflehrer und war früher in Deutschland auch schon in der Lehrerbildung tätig. Das hat mir immer viel Freude gemacht und als ich eine Weile hauptberuflich als Surflehrer gearbeitet hatte, wollte ich wieder daran
anknüpfen. So entstand die Idee, selbst Surflehrer*innen auszubilden. Ich habe dann Kontakt mit dem DWV aufgenommen und wurde 2019 Teil des Ausbildungsteams. Als Verband kümmert sich der DWV um die Bereiche des Breiten- und Leistungssports. Im Fachausschuss Ausbildung beschäftigen wir uns im Wesentlichen mit Allem was die Surflehrer*innen Aus- und Fortbildung für den Bereich des Breitensports betrifft. Einige von uns haben ihre Expertise aber beispielsweise auch bei der Konzeption der neuen Ausbildung zum High-Performance-Coach eingebracht. Diese Lizenz richtet sich an Trainer*innen für den Bereich des Leistungssports und es war sehr spannend hier konzeptionell mitwirken zu können. Unsere Kernaufgabe ist aber der Surfunterricht für Breitensportler*innen, wie man ihn klassisch aus Surfschulen und Surfcamps kennt.
Das klingt sehr spannend! Über deine üblichen Aufgaben im DWV hinaus hast du im Rahmen Deiner Tätigkeit für den DWV in Kooperation mit der Deutschen Olympischen Akademie (DOA) Unterrichtsmaterialien für Kinder der Sekundarstufe I konzipiert. Mit welchem Themengebiet befassen sich Deine Aufgaben und welches Ziel soll mit der Bereitstellung von Lehrmaterialien im Kontext Olympische Spiele und Surfen erreicht werden?
Michael: Hierzu muss man wissen, dass die Deutschen Olympischen Akademie unter dem Motto Olympia ruft: mach mit!anlässlich der Olympischen Spiele Unterrichtsmaterialen für die Schule herausbringt. Diese sind dann online verfügbar und vielfältig einsetzbar. Thematisch geht es dabei z.B. um olympische Sportarten, die Olympiastadt oder auch das Gastgeberland. In diesem Rahmen habe ich Unterrichtsmaterialien für den Physikunterricht konzipiert. Diese beinhalten ein Interview mit Leon Glatzer und geben einen kleinen Einblick in das große Universum der Surfbretter und des Wellenreitens. Auf fachlicher Ebene geht es dabei um Surfbretter, die Auftriebskraft sowie den Zusammenhang zwischen beidem und die Brettwahl z. B. bei den Olympischen Spielen.
Ganz allgemein zielen die Unterrichtsmaterialen der DOA auf Olympische Bildung ab. Surfen ist für deutsche Schüler*innen tendenziell eine exotische Sportart, mit der sie nur zufällig im Urlaub in Berührung kommen. Rapid Surfen und Wavepools ändern das dahingehend, dass man vermehrt auch in Deutschland surfen gehen kann. Sich in der Schule, im Rahmen von Olympia mit dem Surfen zu beschäftigen, trägt hoffentlich dazu bei, dass sich noch mehr junge Menschen für diesen großartigen Sport begeistern.
Wir können also festhalten, dass Naturwissenschaften und Surfen eng miteinander verwoben sind. Welche weiteren naturwissenschaftlichen Aspekte könnten für die Schüler aus Deiner Sicht am Beispiel Surfen didaktisch aufbereitet werden?
Michael: Da gibt es tatsächlich sehr viele. Man kann zum Beispiel den gesamten Bereich der Wellenenstehung, Dünung und des Brechens der Wellen betrachten. Lokale Windphänomene, wie die Sea Breeze oder auch das Strömungsverhalten des Wassers um und unter dem Brett bei verschiedenen Shapes und Finnen, wären auch eine Möglichkeit. Spannend ist dann immer auch die Frage, wie das Ganze für eine Schulklasse interessant und gut verständlich aufbereitet werden kann. Man darf nicht vergessen, dass man es nicht mit Surfer*innen zu tun hat, die das auf jeden Fall spannend finden, sondern in der Regel mit jungen Menschen die keinen oder wenig Bezug zu diesem Sport haben. Das Schöne ist aber, dass Wellenreiten hier viel Potenzial bietet die Schüler*innen abzuholen und zu begeistern.
Als passionierter Surfer: Welche Bedeutung hat die Aufnahme des Surfsports als Disziplin bei den Olympischen Spielen 2020 aus deiner Sicht? Welche Chancen siehst du dadurch für den Sport?
Michael: Ich freue mich sehr darüber, dass Surfen bei den Olympischen Spielen vertreten ist und denke dass der Sport davon enorm profitiert. Das mag erst mal etwas abgedroschen klingen, man muss sich aber klar machen, dass durch diesen Schritt in vielen Ländern erst ein Interesse für das Surfen auf nationaler Ebene geweckt wurde. Das bedeutet, dass der Leistungssport in vielen Ländern nun ganz anders gefördert wird als zuvor. So können dann beispielsweise Trainer*innen bezahlt werden und auch weitere Jobs rund um das Surfen entstehen. Das bereichert den Sport. Auch die World Surfing Games haben in meiner Wahrnehmung dadurch ein ganz anderes Gewicht erhalten. Ich freue mich darüber, dass dort so viele Surfer*innen aus so vielen Ländern zusammen kommen, um alles für ihren Olympia Traum zu geben.
Zu guter Letzt – hast Du einen heimlichen Favoriten/eine heimliche Favoritin bei den Olympischen Spielen 2024 in der Kategorie Surfen?
Michael: Mit Camilla Kemp und Tim Elter sind ja auch zwei deutsche Surfer*innen qualifiziert. Ich hoffe natürlich am Ende die beiden jeweils mit einer Medaille zu sehen und wünsche das Beste. Die Konkurrenz ist aber riesig und auf dem Weg dorthin gilt es die besten Surfer*innen der Welt zu schlagen. Bei den Frauen glaube ich, dass Caity Simmers da auf jeden Fall ein Wörtchen mitreden wird und bei den Herren werde ich neben Tim auch John John ganz fest die Daumen drücken. Tim zeigte nicht zuletzt bei der Quemao Class, was für ein herausragender Barrel Rider er ist. Das wird also sehr spannend! Last but not least freue ich mich auch sehr auf Yolanda Hopkins aus Portugal und denke, dass sie in Teahupo’o gute Chancen hat weit zu kommen.
Link zu den Unterrichtsmaterialien von Michael: https://olympia-ruft.de/wellenreiten-und-die-auftriebskraft/